Die Medizinprodukteverordnung — Informationen für Praxen

Auswirkung der Medizinprodukteverordnung auf die Unternehmensberatung im Gesundheitswesen

Am 26. Mai 2020 sollte die Übergangsfrist der europäischen Medizinprodukteverordnung 2017/45, englisch Medical Device Regulation (MDR) enden. Aufgrund der COVID-19 Pandemie wird diese um 1 Jahr, also auf den 26. Mai 2021 verlängert. Somit wird diese etwas später in geltendes Recht überführt

Anforderungen der MDR

Die Medizinprodukteverordnung richtet sich in erster Linie an Hersteller und benannte Stellen, die die notwendige Konformität der Produkte für eine Marktzulassung prüfen. Klassifizierungsregeln wurden geändert — viele Produkte sind nun höheren Klassen zugeordnet als bisher. Richtlinien für die klinische Bewertung der Produkte wurden verschärft, in vielen Fällen werden klinische Studien erstmals überhaupt notwendig. Regularien für die Nachverfolgung und Marktbeobachtung wurden erweitert. Zukünftig sollen sämtliche Medizinprodukte über eindeutige UDIs (Unique Device Identification) rückverfolgbar sein. Produkten zugehörige Informationen, auch Vorkommnisse und Rückmeldungen, werden über eine zentral europäische Datenbank (EUDAMED) gesammelt. Sämtliche Produkte müssen dafür neu zugelassen werden.

Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung

Für viele Produktgruppen existieren zwar Übergangsfristen über den 26. Mai 2020 hinaus, dennoch befürchten manche Experten bereits mit diesem Datum erhebliche Versorgungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten nicht nur für Hersteller, sondern auch für Gesundheitseinrichtungen, Ärzte und die Pflege. Es wird erwartet, dass Medizinproduktehersteller nur für einen Teil der Produkte in eine Neuzulassung investieren. Einige besonders betroffene Hersteller haben bereits aufgegeben. Besonders kleine, innovative Start-Ups sind mit der Umstellung und den neuen Anforderungen oftmals überfordert. Die größeren Hersteller dagegen haben die Anpassungen im Normalfall bereits vollzogen, doch auch sie haben ihr Portfolio meist anlässlich der Neuregelungen überprüft. Die hausinterne Eigenherstellung von Medizinprodukten wird durch die MDR erheblich erschwert, hier sehen sich die Hersteller mit hohen Anforderungen konfrontiert, z.B. der Einführung eines Qualiätsmanagementsystems. Ebenfalls stärker reguliert wird die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten. Dies stellt vor allem das Prozess- und Hygienemanagement in Arztpraxen vor Herausforderungen.

Verzögerungen und Übergangsfristen

Die Akkreditierung der benannten Stellen, aber auch die Umstellung der Behörden auf die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, verläuft sehr schleppend. Das hat zur Folge, dass die Neubewertung der Produkte nach den neuen Regularien der MDR durch TÜV und co. bis 26.05.2020 nicht für alle Produkte abgeschlossen werden kann. Auch die Einführung der EUDAMED-Datenbank wurde bereits mehrfach verschoben. Zum Glück sieht die Verordnung Übergangsfristen je nach Art des Produktes bis Mai 2025 vor — bis dahin können viele Produkte nach den alten Regularien weiterverkauft werden, dürfen jedoch nicht mehr verändert werden. Dennoch kann es übergangsweise zu erheblichen Problemen für Versorger kommen, nicht nur weil Produkte ganz vom Markt verschwinden, sondern insbesondere, weil Produkte, für die kein adäquater Ersatz erhältlich ist, temporär nicht verfügbar sind — aufgrund Überlastung der mit der Prüfung betrauten benannten Stellen. Besonders gravierend: Produkte mit bisher niedriger Risikoklasse, die nach der Medizinprodukteverordnung höher klassifiziert werden, z.B. Produkte mit Software, aber auch stoffliche Produkte und wiederverwendbare chirurgisch-invasive Produkte, wurden bei der Definition der Übergangsfristen schlicht übersehen und erst durch ein Korrigendum im Dezember 2019 ebenfalls bis Mai 2024 befristet. Einige Hersteller nutzen diese kurzfristige Verlängerung, andere haben die Produktion jedoch längst eingestellt und werden diese auch nicht wieder aufnehmen.

Versorgungssicherheit gewährleisten

Wenn Sie in der Gesundheitsversorgung tätig sind, beachten Sie, dass es durch Rechtsunsicherheiten, teilweise auch durch Unkenntnis seitens der Hersteller über die unterschiedlichen Anwendungsfälle von Medizinprodukten im Feld ab dem Stichtag 26. Mai 2020 zu Einschränkungen der Versorgung mit einzelnen Produkten kommen kann. Falls für Ihre tägliche Arbeit bestimmte Produkte unverzichtbar sind, klären Sie mit dem Händler oder dem Hersteller frühzeitig die mittelfristige Verfügbarkeit und bevorraten Sie Sich im Zweifel für die erwartbar turbulente Umstellungszeit. Weisen Sie Hersteller frühzeitig darauf hin, falls für ein abgekündigtes Medizinprodukt kein geeigneter Ersatz existiert! Dies gilt nicht nur für den 26. Mai 2020, sondern im gesamten Zeitraum bis 2025. Denn innerhalb dieser Zeit sind nicht nur die gesetzlichen Stichtage entscheidend, vielmehr haben vor allem höherklassige Produkte — je nachdem wann ihre Konformität nach den alten Regularien geprüft und bescheinigt wurde — potentiell ein eigenes Auslaufdatum.

Weitere gesetzliche Änderungen mit Auswirkungen auf Praxen und Pflegeheime

Neben klassischen Medizinprodukten werden auch In-vitro-Diagnostika neu reguliert. Dies betrifft z.B. Labordiagnostika und Produkte zur Eigenanwendung wie Blutzuckermessgeräte. Viele Hersteller müssen bis 2022 erstmals ihre Produkte durch benannte Stellen prüfen lassen. Es wird also noch etwas dauern, bis die Turbulenzen sich legen und sich zeigt, ob das Ziel der Neuregulierung — eine spürbare Verbesserung der Produktqualität und Patientensicherheit — erreicht werden kann. Bis dahin ist von allen Beteiligten erhöhte Aufmerksamkeit gefragt — Panik jedoch nicht.