Anforderungen der Hygiene an abwasserführende Systeme in medizinischen Einrichtungen

Der Begriff der „Abwasserführenden Systeme“ spielt im Alltag von Krankenhäusern und weiteren medizinischen Einrichtungen kaum eine Rolle. Durch die im März 2020 erschienene KRINKO-Empfehlung „Anforderungen der Hygiene an abwasserführende Systeme in medizinischen Einrichtungen“ soll sich dies allerdings ändern.

Bisher gab es keine gesonderten Regelungen, sodass Abwasser aus Krankenhäusern und weiteren medizinischen Einrichtungen hinsichtlich seiner mikrobiellen Zusammensetzung, wie kommunales Abwasser eingestuft wurde. Die Separierung von Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen oder eine gesonderte hygienische Behandlung wurde daher nicht als notwendig erachtet. Mittlerweile liegen jedoch Belege für die Bedeutung der abwasserführenden Systeme als Reservoir für fakultativ pathogene Erreger vor. Diese sind unter anderem Ursache für jahrelang persistierende Ausbrüche im Krankenhaus. Dabei sind vor allem Waschbecken, Siphons, Duschabläufe und Toiletten betroffen.

Das Ziel der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention besteht darin, das Risiko einer Exposition und einer damit einhergehenden Kontamination, Kolonisation oder Infektion auf ein Minimum zu reduzieren.


Was sind abwasserführende Systeme?

In medizinischen Einrichtungen wird unter „abwasserführenden Systemen“ das gesamte abwasserführende System ab der Stelle innerhalb der Einrichtung verstanden, an der Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen in das System gelangen. Die Möglichkeit der direkten bzw. indirekten Exposition von Patient:innen gegenüber Krankheitserregern besteht vor allem bei Toiletten, Bodenabläufen, Waschbecken und Duschabläufen, Ausgussbecken in unreinen Räumen sowie Abwasseröffnungen in Küchen. Dies kann auch das Personal, Instrumente, Geräte, Reinigungsutensilien, Desinfektionsmittelspender, Tuchspendersysteme und Lebensmittel betreffen.

Wasserhygiene

Für die menschliche Gesundheit ist die Qualität von Wasser in allen Lebensbereichen von großer Bedeutung. Im Allgemeinen beschäftigt sich die Wasserhygiene mit sämtlichen Aspekten der Trinkwasser-, Schwimm- und Badebeckenwasser und Badegewässerqualität und gilt als zentrale Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dabei steht vor allem der Prozess der Reinigung von Wasser im Vordergrund, da dieses unbehandelt zu diversen Gesundheitsrisiken führen kann. Durch hygienisch einwandfreies Wasser kann die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination der Wasserwege durch Viren und Bakterien verringert werden. Pathogene Erreger können von kleinen Infektionen bis hin zu tödlichen Krankheiten führen. Um Wasser-assoziierten Erkrankungen vorzubeugen, sollte eine regelmäßige Beprobung der Wasserqualität sichergestellt werden.

Wie entsteht eine Ko...

Wie entsteht eine Kontamination in der Praxis?

Es gibt verschiedene Faktoren, die zu Kontaminationen führen können. Ein ungünstiges Design von Toiletten und Duschbecken oder die direkte Ausrichtung des Wasserstrahls am Waschbecken auf die Abflussöffnung können zur Aerosolentstehung führen. Ein hygienisches Risiko bergen auch Sensorarmaturen, da sich darin konstruktionsbedingt z.B. Gram-negative Nonfermenter wie Pseudomonaden ansiedeln, die als Ursache für Ausbrüche dienen können. Zu den wichtigsten Infektionserregern, die in abwasserführenden Systemen nachgewiesen sind, gehören neben Pseudomonas aeruginosa auch Acinetobacter spp., Clostridioides difficile und Entrokokken. Die ist besonders kritisch, wenn es sich um antibiotikaresistente Erreger mit Resistenzen gegen Carbapenem und Colistin handelt. Aber auch Noro‑, Adeno und Enteroviren sind in die Risikobetrachtung einzubeziehen.

Beispiele für Übertragungen

  • Zurückspritzen beim Betätigen der Toilettenspülung oder Duschen
  • Tätigkeiten nahe am Waschbecken (z.B. Zähne putzen oder Hände waschen) können aufgrund von Spritzwasserkontakt zu Kontaminationen führen
  • Am Waschbecken gelagerte Utensilien können durch Rückspritzer zu Übertragungsvehikeln werden
  • Fehlerhafte Reinigung (z.B. Verwendung einer einzigen Bürste, um Waschbecken ohne Zwischendesinfektion zu reinigen)
  • Unzureichende Desinfektion von Siphons
  • Unzureichende Desinfektion von Steckbecken
  • Ablaufanschlüsse zur Entleerung von Dialysatbeuteln
  • Reinigung der Krankenhausküche mittels Hochdruckreinigungsgerät kann sowohl Küchenutensilien als auch Lebensmittel kontaminieren
  • Verstopfung von Abwasserleitungen mit Rückstau
  • Leckagen von Abwasserleitungen

Welche Maßnahmen kann ich zur Verringerung der Kontaminationsrate ergreifen?

Gezielte Maßnahmen für einzelne Kontaminationsquellen sind sinnvoll und können individuell durch die Einrichtungen umgesetzt werden. Basis für die Maßnahmen sind natürlich individuelle Faktoren, die durch entsprechendes Fachpersonal bewertet werden müssen. Hier ein paar Auszüge für möglich Maßnahmen an den wichtigsten Kontaminationsstellen:

  • Waschbecken mit einem Spritzschutz abschirmen, falls Arbeitsflächen für aseptisches Arbeiten angrenzen
  • Zur Reinigung und Desinfektion Präparate auf der Basis von Per- bzw. Chlorverbindungen bevorzugen
  • Regelmäßige Kontrolle des störungsfreien Ablaufs
  • Bei Verstopfung / Rückstau Ursache schnellstmöglich beseitigen und im Anschluss eine desinfizierende Reinigung durchführen
  • In Bereichen mit besonderem Infektionsrisiko:
  • auf Waschbecken im Zimmer verzichten
  • Abflussleitung mit thermisch desinfizierenden Siphonsystemen ausstatten
  • Bei Sensorarmaturen ist zu beachten, dass das Magnetventil, das den Wasserfluss steuert, sich idealerweise in unmittelbarer Nähe zur Hahnebene befindet, um sicherzustellen, dass im Ruhezustand der Armatur keine Wasseransammlung verbleibt
    • Zudem sollten Sensorarmaturen so konstruiert sein, dass sie keine fein strukturierte Bauweise aufzeigen und thermisch desinfizierbar sind
Neben den Waschbecke...

Neben den Waschbecken entsteht häufig eine Kontamination durch Toiletten. Daher haben wir hier auch ein paar Maßnahmen für eine ordentliche Hygiene in Praxen oder Pflegeheimen aufgelistet:

  • Bei Neu- und Umbau sind spülrandfreie Toiletten zu bevorzugen
  • Toilettendeckel vor dem Spülen schließen. Hinweisschilder im Sanitärbereich aufhängen
  • Bei Verstopfung / Rückstau Ursache schnellstmöglich beseitigen und im Anschluss eine desinfizierende Reinigung mit Perverbindungen bzw. Chlor durchführen (Hygienefachpersonal informieren)
  • Manuelle Mischarmaturen sind zu bevorzugen

Besonders im Pflegeheimen stellen zudem Duschen und Duschbecken ein Risiko für die Keimverbreitung dar. Ob Neuinstallation oder Bestand. Hier ein paar Tipps für einen hygienischen Umgang in diesem Bereich:

  • Bei Neu- und Umbau beachten, dass Duschbecken und deren Abfluss gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsmitteln beständig sind
  • Bei ebenerdigen Duschen ohne Spritzschutz sollte das Bodengefälle zum Fußbodenablauf von der Tür bis zum Abfluss vorhanden sein, um stehendes Wasser zu verhindern
  • Auf Duschvorhänge verzichten. Falls dies nicht möglich ist, diese mit ausreichend Abstand zum Fußboden bzw. zur Duschtasse installieren. Auf regelmäßige Aufbereitung bzw. Austausch der Vorhänge achten.
  • Bei Verstopfung / Rückstau Ursache schnellstmöglich beseitigen und im Anschluss eine desinfizierende Reinigung mit Perverbindungen bzw. Chlor durchführen (Hygienefachpersonal informieren)

Da einige der Punkte sehr kosten- und zeitaufwendig sein können ist es besonders wichtig, dass die Informationsweitergabe an alle beteiligten Personen erfolgt. Mitarbeiter sollten in Schulungen auf die Bedeutung des abwasserführenden Systems hingewiesen und über die richtige Reinigung, Desinfektion und den Ablauf bei Störfällen informiert werden. Auch das Informieren von Personal und Patienten über die hygienisch sichere Nutzung der Sanitäreinheiten, wie zum Beispiel das Schließen des Toilettendeckels vor dem Spülen, kann die Kontaminationsgefahr bereits um mehr als das 10-fache verringern. Hinweisschilder im Sanitärbereich können besonders hilfreich sein, um auch im Alltag an die Maßnahmen zu erinnern.